FAKTOR SPRACHE
REDEWENDUNGEN ALS DIAGNOSE-TOOL
Mit unserer Alltagssprache bringen Patienten oft schon unbewusst ihre Beschwerden auf den Punkt. Daher ist es umso wichtiger, dass wir Mediziner unseren Patienten aufmerksam zuhören. In manchen Fällen kann tatsächlich bereits die Wortwahl Aufschluss darüber geben, welche Ursachen sich möglicherweise hinter den körperlichen Beschwerden verbergen: Probleme „sitzen uns im Nacken“, der Alltag „zwingt uns in die Knie“, unlösbare Aufgaben „brechen uns das Genick“ oder Kollegen „fallen uns in den Rücken“. Im Kern jeder dieser bildhaften Aussagen liegt eine psychisch belastende Situation, die nicht zufällig genau die genannten Körperregionen beeinträchtigt und mit Schmerzen einhergeht.
Natürlich hat nicht jeder Patient mit Nackenschmerzen einen sprichwörtlichen „Schlag in den Nacken“ erhalten. Für derartige Beschwerden gibt es selbstverständlich auch Ursachen, die in keinem Zusammenhang mit diesen Redewendungen stehen, aber in vielen Fällen lohnt es sich, hier etwas genauer hinzuschauen und hinzuhören.
PSYCHOSOMATIK – DIE VERBINDUNG ZWISCHEN KÖRPER UND SEELE
Mit unseren Redewendungen vermitteln Patienten Informationen, die sich auf ihre körperlichen Beschwerden beziehen und mit denen sie sich ihre Beschwerden bewusst oder unbewusst erklären. Parömiologie, die Lehre von den Sprichwörtern, und Psychosomatik haben also mehr gemeinsam als nur ihren Anfangsbuchstaben. Was wie eine einfach so dahergesagte Floskel wirkt, kann viel über das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen zwischen Körper und Seele aussagen. Eine psychosomatisch ausgerichtete Behandlungspraxis mit unserer Sprache als zusätzlichem Diagnose-Tool ist daher aus meiner Sicht wegweisend für die moderne Medizin.